Schweiz: Sammelklagen – Rechtsstreitigkeiten, Richtlinien und neueste Entwicklungen
Von Urs Feller, Partner bei Prager Dreifuss Rechtsanwälte AG Zürich (Mit Genehmigung erneut veröffentlicht)
Einleitung
Der globale Trend zur Stärkung kollektiver Rechtsmittel hat auch die Schweiz erreicht. Die Debatte hat sich in jüngster Zeit erheblich intensiviert, nachdem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einem Grundsatzurteil entschieden hat, dass die unzureichenden Maßnahmen der Schweiz gegen den Klimawandel die Menschenrechte einer Gruppe älterer Schweizer Frauen verletzen. Auch die Notübernahme der Credit Suisse durch die UBS im vergangenen Jahr, nach der Investoren erhebliche Verluste geltend machten, hat das Thema wieder aufleben lassen.
Da die Schweizerische Zivilprozessordnung (ZPO) keinen echten repräsentativen Mechanismus für kollektive Rechtsbehelfe vorsieht, geht es in der laufenden politischen Debatte im Kern darum, ob – und wenn ja, in welchem Umfang – solche Rechtsstreitmechanismen eingeführt werden sollten, um den effektiven Zugang zur Justiz für Personen zu gewährleisten, die von Massenschäden betroffen sind.
Unter anderem ist das Wettbewerbsrecht einer der wichtigsten Anwendungsbereiche für kollektive Rechtsmittel, weshalb die aktuelle politische Debatte von Wirtschaftsverbänden und Wettbewerbsrechtlern aufmerksam verfolgt wird. Einerseits ist es wahrscheinlich, dass es in diesem Bereich zu Massenschäden kommt, da zwangsläufig eine große Anzahl von Verbrauchern oder Wettbewerbern von Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht betroffen sein kann. Andererseits wird das wahre Ausmaß der Schäden, die durch wettbewerbswidrige Praktiken entstehen, oft erst dann deutlich, wenn einzelne Ansprüche gebündelt und in ihrer Gesamtheit betrachtet werden.